Chairing a conference

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Ich bitte um Nachsicht für den englischen Titel: Mir gefällt es nur so gut, dass es im Englischen ein eigenständiges Verb für diese schöne und anspruchsvolle Tätigkeit gibt, das Leiten einer Konferenzdiskussion. Ob dreißig oder vierhundert Menschen im Raum sitzen, ja selbst wenn es nur um das Treffen des Leitungsteams geht, es ist eine hohe Kunst, die Diskussionen so zu führen, dass am Schluss ein Ergebnis vorliegt und auch noch alle zufrieden hinausgehen. Dazu nun mein Spickzettel.

Erstens: Können Sie die Agenda mitbestimmen?

Manchmal wird man am Schluss als Chair reingeholt, obwohl andere sich das Konzept der Diskussion erdacht haben. Das ist eine knifflige Situation, besonders verbreitet bei der Leitung von Podien, über die wir hier auch noch mal reden. Aber sonst fängt alles mit einer gescheiten Agenda an, die zielgerichtet ist, die unterschiedlichen Standpunkte mit einer möglichst großen Spannweite an den Tisch bringt und bei der die Beiträge aufeinander aufbauen. Zum Agenda setzen gehört auch ein exzellentes Briefing für alle Vortragenden, das das Thema, Hinweise auf den voraussichtlichen Kenntnisstand des Publikums und unmissverständliche Zeitvorgaben umfasst.

Zweitens: Kennen Sie das Publikum?

Wissen Sie, wer da mit welchem Standpunkt sitzt und voraussichtlich gegen Standpunkt x und besonders Person y opponieren wird? Auf wen Sie als Alliierte für ein kluges Vorgehen oder auch eine hilfreiche Zusammenfassung zählen können? Mein Vorgehen ist es, wenn ich hereinkomme, mich nur auf kurzes Geplänkel mit den Anwesenden im Vorraum einzulassen und dann gesammelt an meinen Platz als Vorsitzende zu gehen. Da sehe ich schon mal, wer so hereintrudelt, ich nicke den einen oder anderen freundlich zu, aber bleibe vorn, ohne allzu deutlich Bekanntschaften oder Allianzen meinerseits zu demonstrieren. Ich bin der Chair für alle, nicht nur für meine Kumpels. Und dann stimme ich mich in fast meditativer Weise darauf ein, jetzt hier eine Dirigentin eines Konzerts zu sein, in der die Musik im Wesentlichen von den Anwesenden und nur, wo es nötig ist, auch mal von mir gespielt wird. Und im Geiste heiße ich das gesamte Publikum willkommen, einschließlich der potentiellen Querköpfe.

Drittens: I chair!

Ich habe die Leitung fest in der Hand, begrüße klar und deutlich, nehme die volle Verantwortung für die Steuerung der Debatten und weise klar das Wort zu. Rednerinnen und Redner werden kurz vorgestellt und nach den abgemachten 15 Minuten mit einem Hüsteln an die Zeitlimite erinnert, aber nicht unterbrochen. Wenn’s sein muss, schiebe ich ein diskretes Zettelchen rüber. Anschließend lasse ich die Voten zu, und zwar von Anfang an eingeleitet mit dem Hinweis, dass Fragen wie Diskussionsbeiträge willkommen sind, möglichst von einer maximalen Dauer von X Minuten, was auch immer passt. UND es gibt Voten, da weiß ich einfach, die müssen mehr Zeit haben. Weil die noch nie irgendwo reden durften, wegen ihrer Seniorität, wegen des Gewichtes ihres Votums. Auf jeden Fall gebe ich Raum für unterschiedliche Sichtweisen.

Viertens: Ich fasse zusammen

So sehr ich dafür bin, dass in erster Linie die Teilnehmenden sprechen, eine Diskussion ohne Zusammenfassung ist Blödsinn. An einigen Konferenzen wird diese Rolle von vornherein irgendjemandem zugewiesen, die oder der besonders kenntnisreich ist und voraussichtlich fähig, die Voten aus der Diskussion aufzunehmen. Aber sonst ist das meine Aufgabe. Dazu muss ich mir während der Diskussion fortlaufend kurze Notizen zu wesentlichen Ergebnissen machen und diese dann am Schluss sehr knapp präsentieren.

Fünftens: Ich schließe ab

Im Anschluss an meine Zusammenfassung weise ich darauf hin, was mit den Ergebnissen geschieht! Bearbeitet sie jemand weiter, fließen sie in ein Empfehlungspapier, führen sie zu einem Treffen in einem Ministerium? Das müssen die Leute wissen. Ich danke Publikum, Rednerinnen und Rednern und den Konferenzveranstaltern und verabschiede mich.