Aus gegebenem Anlass denke ich dieser Tage öfter über den Umgang mit Andersdenkenden nach.
Die US-Wahlen bieten jede Menge Gelegenheiten, über den Umgang mit Andersdenkenden nachzudenken. Wie gehe ich eigentlichen mit Standpunkten um, die ich nicht teile? Und auch mit denen, die anderer Meinung sind? Auch in meinen Gesprächen mit Führungskräften ist das Thema. Sie werden übertönt und ärgern sich darüber. Sie werden selbst laut und finden das nicht immer fruchtbar. Und dann höre ich auch mal von Gräben, die zu den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus durch Familien und Freundschaften gehen. Nicht einfach.
Mir drängen sich da drei Arten des Umganges mit Andersdenkenden auf. Auf der einen Seite der Skala finden sich diejenigen, mit denen eine Verständigung abwegig ist. Wie sagte der Resistance-Kämpfer Jorge Semprún: „Nicht nötig, die SS zu verstehen, es genügt der feste Wille zu ihrer Niederlage.“ Das muss gesagt sein, um dann die anderen Lösungen zu entdecken, die nicht in diese Kategorie gehören.
Nicht so drastisch stehen die Dinge bei vielen Themen, wo wir von ganzem Herzen anderer Meinung und weder motiviert noch hoffnungsvoll sind, was eine Aussprache angeht. Eine weise Entscheidung ist häufig die des Schweigens. Auseinandergehens. Vermeidens. Bei entfernten Bekannten, zufälligen Begegnungen häufig angemessen. Bei näheren Beziehungen aber schwierig. Ein Freund rief mich an, sehr unglücklich über die Haltung eines Bruders zu Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Die beiden lagen ganz einfach um 180 Grad auseinander. Die Lösung, die sich im Gespräch herauskristallisierte, war die einer herzlichen Botschaft der Geschwisterliebe, kombiniert mit dem Vorschlag, das Thema für das kommende Jahr ausdrücklich zu verbannen, in gegenseitiger Anerkennung unversöhnlicher Standpunkte.
Die dritte und größte Zone der Skala ist die, über die nachzudenken sich wirklich lohnt. Jemand vertritt eine Auffassung, die Ihnen fremd, unangenehm, ein Ärgernis ist, aber es besteht Hoffnung auf Verständigung. Sie müssen nicht auf Durchzug schalten, vielleicht geht auch mehr. Sie können nachfragen, zuhören und der anderen Sichtweise erstmal Raum geben. Sie können auch sehr deutlich machen, wo Sie stehen und mit einem „Ich sehe das übrigens ganz anders“ einen Platzhalter setzen. Wenn Ihr Gegenüber lauter wird und keine Anstalten macht nachzufragen, wissen Sie Bescheid. Dann wird’s wohl beim schweigenden Auseinandergehen enden. Sollte Ihr Gegenüber hingegen nachfragen, wie Sie denken, sind Sie einen Schritt weiter gekommen. Es kann sich ein Gespräch entspinnen.