Staunen und Ausprobieren.

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Neulich habe ich meine Freundin in Norddeutschland besucht. Wir kennen uns, seit wir 18 sind. Während unserer Wanderungen kam die Erinnerung zurück, wie wir damals unser Leben und die Welt überhaupt gesehen haben, und es fielen mir zwei Dinge auf:

Erstens, ich hätte nie gedacht, welche Möglichkeiten mir im Laufe des Lebens offenstehen. Dass ich über vierzig Länder aus beruflichen Gründen bereisen, fünfundzwanzig Jahre Institutionen für die Menschenrechte aufbauen und leiten, die Schweizer Staatsbürgerschaft erwerben würde – ich hätte niemandem geglaubt, der mir das gesagt hätte.

Und zweitens, ich wusste nicht, wie wenig man die Dinge in der Hand hat. Mein Vater hat mal gesagt: Kinder und Ehepartner sind Schicksal. Er meinte wohl etwas Ähnliches. Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, meine Wohnorte, Lebensgefährten oder beruflichen Aufgaben geplant zu haben. Vielleicht angesteuert. Vielleicht Entscheidungen gefällt, für oder gegen eine Option. Aber hatte ich die Wahl? Meine ich nur, sie gehabt zu haben? Hat sich die Lösung aufgedrängt?

Wenn ich zurückreisen könnte und der jüngeren Frau, die ich war, der häufig ratlosen, zeitweise unglücklichen, zeitweise munteren jungen Frau etwas raten könnte, wären es zwei Hinweise: Staunen und ausprobieren. Staunen, weil dieses Rätseln, Wundern und hingerissen sein eine angemessene Haltung dem Leben gegenüber ist. Weil Ratlosigkeit fruchtbarer Boden für schöne Entwicklungen ist. Und Ausprobieren, selbst wenn etwas beängstigend aussieht oder seltsam. Weil es immer noch mehr Wege gibt, ungewohnte, atemberaubende, beglückende.