Wie leite ich ein Podium?
Was sagen Sie, wenn Sie gebeten werden, eine Podiumsdiskussion zu leiten? Sind Sie begeistert? Oder denken Sie schon während des Telefonats darüber nach, wen Sie als Ersatz vorschlagen könnten? Fallen Ihnen alle Talkshows ein, aus denen Sie sich wegen des gemeinen Umgangstones und schlecht abgestimmter Redebeiträge rausgezappt haben?
Ich habe einen um Rat gefragt, der noch jedes Podium hinbekommen hat: meinen Freund Heiner Bielefeldt. Er lehrt an der Uni Erlangen und hat als UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit in schwierigsten Settings Gespräche geführt. Hier seine Tipps, eingewickelt in meine Erfahrungen:
Erstens: Die Rollen der Teilnehmenden
Sie müssen bestens darüber Bescheid wissen, wer in welcher Rolle auf dem Podium sitzt. Welche Position vertritt er, für wen spricht sie, was weiß er (und was nicht)? Welche grundlegende Botschaft hat sie? Da helfen kurze Rückfragen ein paar Tage vorher, ein Blick in ihre Publikationen oder seine Website. Wenn Sie bei der Vorbereitung des Podiums dabei sind, umso besser: Stellen Sie die Leute zusammen, die Sie schon immer mal an einen Tisch bringen wollten, unter denen es ausreichend unterschiedliche Positionen gibt und die die Gesprächsfreude mitbringen, um ihre Debatten öffentlich zu führen.
Zweitens: Das Drehbuch
Jetzt bedarf es eines Drehbuches. Das müssen Sie schreiben. Die Etappen sind diese:
In der Eingangsrunde dürfen alle ankommen. Sie haben die Gelegenheit, kurz und knackig vorzutragen, wie sie die Sache sehen und worum es ihnen geht. Tendenziell eher keine Kurzvorträge, sondern ein Schlaglicht auf ihre Anliegen. Die Podiumsteilnehmer sollen sich erstmal wohl fühlen.
In der zentralen Runde dürfen Sie zu Ihren Überraschungen kommen. Quer zu dem, was in der ersten Runde gesagt wurde, schlagen Sie Rollenwechsel, ein Umdenken vor. Dabei geht es weniger um Wissen, sondern um Gespräch und Austausch. Ab jetzt sollte die Post abgehen und Sie müssen nur noch sanft nachstupsen oder das Gespräch wieder in die richtigen Bahnen bringen.
Sehr beliebt ist die Öffnung zum Publikum, die Verbindungen schafft, aber auch gern aus dem Ruder läuft. Eine einfache Regel: Die Fragen müssen erstens kurz und zweitens adressatenspezifisch sein – an eine Person gerichtet, nicht an mehrere auf dem Podium.
Nach der Öffnung darf aber das Podium wieder reden, am besten alle noch einmal kurz. Diese abschließende Runde gilt dem Ausblick: Ideen und Perspektiven sind gefragt.
Drittens: Ihre Rolle!
Sie sind der Gastgeber. Es geht nicht darum, die Leute bloßzustellen, die sich für ein Podium zur Verfügung gestellt haben. Das ist peinlich und unfair. Es geht darum, aus ihnen herauszuholen, was sie zu bieten haben. Und dazu gehört natürlich auch, dass Sie bei Ihrem Drehbuch alle Offenheit behalten. Wenn Sie spontan sehen, dass sich auf ganz andere Weise als geplant ein Spannungsbogen abzeichnet, dann nur zu. Wenn Sie sehen, dass das Publikum Wichtiges zu sagen hat, holen Sie es rein. Hauptsache, Sie steuern!